Bei Ausbau der Kunstglasfenster war Fingerspitzengefühl gefragt

Die bunten Glasfenster sind das Markenzeichen unserer Kirche St. Antonius. Aber sie sind in die Jahre gekommen, weshalb sie zwischen April und November restauriert und energetisch saniert werden. Vor wenigen Tagen wurden die rot-weiss-blauen Scheiben neben dem Altar ausgebaut. Eine knifflige Arbeit, die von den Kunstglasern grosse Sorgfalt verlangt. Wir durften ihnen dabei über die Schultern blicken.

Das kräftige Klopfen und Hämmern, das man schon von ausserhalb der Antoniuskirche hörte, bringt man nicht unbedingt mit filigranen Glasarbeiten in Verbindung. Die lauten Geräusche kamen von den zwei Gerüsten, die vor den hohen Fenstern im Chor der Kirche, links und rechts des Altars aufgebaut sind. Dort waren letzte Woche vier Personen, eine junge Frau und drei Männer damit beschäftigt, mit Hammer und Aushaumesser den harten, jahrzehntealten Kitt, der die einzelnen Fragmente der bunten Kirchenfenster verbindet, zu entfernen und die Scheiben sorgfältig auszubauen. Sie trugen dabei Schutzbrillen, um die Augen vor absplitternden Teilchen zu schützen, und waren hochkonzentriert bei der Sache.

Mit Kraft und noch mehr Fingerspitzengefühl: Patrick Scholz löst mit Hammer und Ausbaumeser den alten Kitt in den Fensterrahmen.
Mit Kraft und noch mehr Fingerspitzengefühl: Patrick Scholz löst mit Hammer und Ausbaumeser den alten Kitt in den Fensterrahmen.

Stück für Stück herausgelöst

Die Sommersonne hatte die weissen, die roten und vor allem die blauen Scheiben kräftig aufgeheizt. Hinter der Schutzfolie aus Plastik, die den Kircheninnenraum und empfindliche Einrichtungen wie die Orgel vor Schutz und Staub schützt, herrschte deshalb ein Klima wie in der Sauna. Davon unbeirrt und mit geübten Bewegungen brachen die vier Arbeitenden die spröde Fensterfassung Stück für Stück auf. „Mal geht es besser und es lösen sich mit einem Schlag gleich ein paar Zentimeter Kitt, manchmal braucht es an ein und der gleichen Stelle mehrere Schläge“ sagte Patrick Scholz. Er führt die  Kunstglaserei Scholz AG aus Rümlang, die mit der Sanierung der Walliseller Fenster beauftragt ist, in der dritten Generation. Er arbeitete in der Antoniuskirche Seite an Seite mit seinem jüngeren Bruder Roger, seinem Vater Dieter Scholz, der ihm vor zwei Jahren die Geschäftsleitung des Familienbetriebs übertragen hat, sowie einer Angestellten. „Das Ausbauen der Kunstglasfenster braucht Kraft, aber noch mehr Fingerspitzengefühl“, erklärte Dieter Scholz. Und jede Menge Know-how, über das die Kunstglaser reichlich verfügen. Die Firma Scholz AG ist auf Glaskunst spezialisiert, hat schon bei zahlreichen Kirchen und historischen Gebäuden wie aktuell dem Schloss Hegi in Winterthur die Fenster restauriert, oft in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege.

Dreifache Isolierung nach aktuellen Normen Dieter Scholz demonstriert an einem Modell den Aufbau der neuen Verglasun
Dreifache Isolierung nach aktuellen Normen: Dieter Scholz demonstriert an einem Modell den Aufbau der neuen Verglasung.

175 Quadratmeter Kunst

Unter deren Schutz stehen auch die Kirchenfenster der St. Antoniuskirche sind. Sie wurden 1957 vom bekannten St. Galler Maler Ferdinand Gehr geschaffen und sind mit ihren bunten Farben sowie einer Fläche von stattlichen 175 Quadratmetern ein wesentliches Gestaltungselement der Kirche. Allerdings nagte der Zahn der Zeit in den letzten sechs Jahrzehnten am Kunstwerk aus Glas. „Zahlreiche Bleiverbindungen sind beschädigt und die alte Schutzverglasung weist an verschiedenen Stellen Spannungsrisse durch die hohen Temperaturunterschiede auf“, sagte Patrick Scholz.

Damit die Kunstglasfenster der Nachwelt erhalten bleiben, aber auch, um den gesamten energetischen Zustand des Kirchengebäudes zu verbessern, hatte die Kirchgemeinde- versammlung im Mai 2022 beschlossen, die Fenster für rund 850‘000 Franken zu sanieren.

Die ausgebauten Kunstglasscheiben stehen zum Abtransport bereit. In der Werkstatt der Kunstglaserei Scholz in Rümlang werden sie restauriert.
Die ausgebauten Kunstglasscheiben stehen zum Abtransport bereit. In der Werkstatt der Kunstglaserei Scholz in Rümlang werden sie restauriert.

Erste Etappe verlief reibungslos

„Die erste Etappe der Sanierung begann Mitte April und konnte reibungslos durchgeführt werden, weshalb wir gut im Zeitplan liegen“, erklärt Markus Gächter von der Walliseller Gächter AG. Als Bauleiter hat er die Arbeiten zusammen mit den Kirchenbehörden um Liegenschaftenvorstand Richard Pfister geplant und vorbereitet. Nun überwacht und koordiniert er sämtliche Phasen der aufwändigen Sanierung.

Im ersten Schritt kamen die beiden Fensterfronten links und rechts des Kircheneingangs sowie das kleinere Fenster hinter dem Taufbecken an die Reihe. Auch dort wurden zuerst die bunten Scheiben herausgelöst, demontiert und sorgfältig nach Rümlang transportiert. „Bei uns in der Werkstatt wurden die Bleiverbindungen wo nötig repariert und neu gelötet, das Kunstglas überholt und anschliessend gründlich gereinigt“, erzählt Dieter Scholz und verrät, dass bisher noch keine einzige der kostbaren Scheiben zu Bruch gegangen ist.

In der Zwischenzeit wurden die Fensterfronten noch einmal vermessen und die Produktion der tragenden Metallkonstruktion sowie der neuen Isoliergläser in Auftrag gegeben. Rund sechs Wochen später wurde ein Fassadengerüst ausserhalb der Kirche angebracht und die alte Schutzverglasung entfernt und entsorgt. Danach wurden die aufgefrischten Buntglasscheiben wieder eingesetzt und die neue, dreifache Isolierverglasung, die gemäss Markus Gächter sehr leistungsfähig ist und den aktuellsten Normen entspricht, angebracht. „Die Kirchenbesuchenden werden den Unterschied zu vorher sowohl im Winter wie auch im Sommer deutlich spüren“, verspricht der Bauleiter.

Beim Kircheneingang kann das fertige Ergebnis bereits bestaunt werden: die Kunstverglasung in der ehemaligen Taufkapelle mit dem angedeuteten Wasser und der Taube des Heiligen Geistes als Motiv funkelt und strahlt wieder in den schönsten Farben. Und wer ganz genau hinschaut, entdeckt dort auch die Signatur von Künstler Ferdinand Gehr sowie die Jahreszahl 57.

Advent mit neuen Fenstern feiern

Verläuft die zweite Etappe mit den Fenstern im Chor so planmässig wie die erste, wird die Sanierung gemäss Markus Gächter Ende Oktober, spätestens Mitte November abgeschlossen sein: „Wir haben die Arbeiten bewusst für die Zeit zwischen den beiden wichtigsten Kirchenfeiertagen Ostern und Weihnachten geplant.“ Die umsichtigen Handwerker haben ausserdem dafür gesorgt, dass während der ganzen Bauzeit Gottesdienste, Eucharistiefeiern und Abdankungen in der Kirche möglich sind. Advent und Weihnachten können die Angehörigen der Pfarrei St. Antonius dann bereits wieder unter sanierten und bestens isolierten Fenstern feiern.